Gefährderüberwachung.
© Veit Dengler
Ein Thema, das zur Zeit medial sehr präsent ist und zu dem ich zahlreiche Rückmeldungen bekommen habe, ist die Gefährderüberwachung. Die „Schaffung einer verfassungskonformen Gefährderüberwachung“ steht im von 94% der NEOS-Mitglieder verabschiedeten Regierungsprogramm und wir haben in den vergangenen Monaten intensiv daran gearbeitet, einen verbesserten Entwurf zu erarbeiten.
Es geht um eine äußerst sensible Frage: Wie können wir als Gesellschaft die persönliche Freiheit der Menschen schützen und gleichzeitig gewährleisten, dass wir sicher vor schweren Straftaten und Terroranschlägen leben können?
Beide Anliegen sind durch unsere Verfassung geschützt. Das Recht auf Freiheit, insbesondere auf Schutz vor staatlicher Überwachung, steht dem ebenso wichtigen Recht auf Sicherheit gegenüber. Eine eindeutige, richtige Lösung gibt es nicht. Es geht vielmehr um eine sorgfältige Abwägung, wie man beiden Grundrechten bestmöglich gerecht wird. Unser Ziel muss es sein, ein Gleichgewicht zu finden. Aktuell wird von mehr als 1.000 sogenannten Staatsgefährdern in Österreich ausgegangen. Darunter befinden sich rechtsextreme und islamistische Gefährder ebenso wie gewaltbereite linksextreme Personen. Der Staat steht vor der Aufgabe, diese Bedrohung ernst zu nehmen und rechtzeitig zu handeln, ohne dabei die Grundrechte zu untergraben.
Kritik des Verfassungsgerichtshofs und überarbeiteter Gesetzesentwurf.
Das ursprüngliche Gesetz zur Gefährderüberwachung durch den DSN, von der damaligen Koalition aus ÖVP und FPÖ beschlossen, wurde vom Verfassungsgerichtshof aus verfassungsrechtlichen Gründen beanstandet. In der Folge wurde ein überarbeiteter Entwurf erstellt, der unter anderem eine Beschränkung auf den Verdacht sehr schwerer Straftaten enthält. In den Verhandlungen innerhalb der Koalition konnten wir nun weitere wichtige Verbesserungen erzielen:
Wichtige Neuerungen im Überblick.
Stärkung des Rechtsschutzes: Der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium wird vor Inbetriebnahme der Überwachungssoftware diese prüfen, in einer Frist, die wir von bisher zwei auf zwölf Wochen verlängern konnten. Im Büro des Rechtsschutzbeauftragten werden künftig auch IT-Expertinnen und -Experten tätig sein, die sowohl die eingesetzte Software bewerten als auch deren laufenden Betrieb kontrollieren.
Eingrenzung des Anwendungsbereichs: Eine Überwachung durch den DSN soll ausschließlich bei echten Gefährdern zur Anwendung kommen. Für Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger wie Journalistinnen, Priester, Rechtsanwältinnen oder Ärzte gilt ein besonders hoher Schutz.
Stärkere gerichtliche Kontrolle: Statt eines Einzelrichters entscheidet künftig ein Dreiersenat über die richterliche Genehmigung der Überwachung.
Transparenz und Kontrolle:
Bei mehr als 30 überwachten Personen pro Jahr wird das Parlament eingebunden.
Eine Whistleblower-Plattform wird bei der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst eingerichtet, um Hinweise auf Missstände im Überwachungsprozess zu ermöglichen.
Die verwendete Software muss durch eine Verordnung öffentlich gemacht werden. Damit wird eine direkte Überprüfung durch den VfGH möglich. Anschaffungskosten, Leistungsbeschreibung und laufende Kosten müssen dem Parlament jährlich gemeldet werden.
Eingrenzung von Zufallsfunden. Zufallsfunde, die während der Überwachung entdeckt werden, dürfen nur unter engen Bedingungen verwertet werden. Vermögensdelikte werden vollständig ausgenommen, andere Delikte dürfen nur berücksichtigt werden, wenn eine Strafandrohung von mindestens drei Jahren besteht.
Technische Beschränkungen: Die Überwachungssoftware darf laut Entwurf nur klar definierte Daten und Dienste erfassen (also nur verschlüsselte Messenger-Dienste). Aus meiner Sicht ist diese Änderung allerdings schwierig. Sobald ein Gerät technisch zugänglich ist, sind potenziell sämtliche Daten auslesbar. Bei schwerwiegenden Gefährdern halte ich eine vollständige Auswertung auch für gerechtfertigt – wenn zum Beispiel Fotos von einem möglichen Tatort gemacht wurden, etc.
Strafverschärfung bei Missbrauch. Dieser Punkt ist aus meiner Sicht besonders wichtig. Bislang gibt es für Amtsmissbrauch eine Strafandrohung zwischen sechs Monaten und fünf Jahren. Künftig sollen wesentlich strengere Konsequenzen folgen. Es wird über die Einführung eines neuen Straftatbestands im Strafgesetzbuch diskutiert. Ein Verlust des Amtes bei Missbrauch soll automatisch eintreten.
Meine Einschätzung.
Ich habe mich relativ intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. Dass es generell unmöglich sei, einen verfassungskonformen Entwurf zur Gefährderüberwachung zu erstellen, wie manche Organisationen oder auch Kollegen meinen, respektiere ich, halte ich jedoch letztendlich für unwahrscheinlich, auch angesichts der Tatsache, dass es in praktisch jedem anderen demokratischen Rechtsstaat eine Gefährderüberwachung durch den Staatsschutz gibt. Wie ich immer sage, auch andere Europäer lieben ihre Freiheit.
Auch der Einwand, dass gelindere Mittel wie die Auswertung sozialer Medien ausreichen könnten, hat seine Berechtigung. Dazu hat der Staatsschutz zu wenig Mittel. Allerdings werden konkrete Planungen für schwere Straftaten nicht unbedingt über Posts auf sozialen Netzwerken abgewickelt, sondern in verschlüsselten Kommunikationskanälen. Gerade aus diesem Grund braucht es eine technische Lösung, die auch auf diese Inhalte zugreifen kann.
Die Abstimmung ist schwierig, weil es um den Konflikt von zwei Grundrechten geht. Ich erkenne jedoch an, dass es in den letzten Wochen wesentliche Fortschritte gegeben hat.
Ob das Gesetz verfassungsrechtlich halten wird, wird letztlich der VfGH zu bewerten haben.